Unsere EckeNord – „Institut für gute Nachbarschaft“

Seit März 2013 bemühten wir, sechs befreundete Nachbarinnen und Nachbarn, uns um die Wiederbelebung eines uralten kleinen Geschäftes, das mehrere verschiedene Gesellschafts- und Wirtschaftsordnungen überlebt hat. Da, wo die Frühlingstraße auf die Nordstraße trifft, befindet sich der klassische Eckladen, den wir als Geschäft mit kleinem Café am 30. November 2013 eröffnet haben. Zuvor war die letzte Ladenchefin Brigitte Seidel in den Ruhestand gegangen. Während der monatelangen Phase des Umbaus, der Neukonzeption und der Verhandlung mit verschiedenen Lieferanten wuchsen wir in angeregten und aufgeregten Diskussionen als Gesellschafterinnen und Gesellschafter einer GbR zusammen. Was uns antrieb, war Enthusiasmus und das Bedürfnis, in unserer Nachbarschaft, in unserem Wohnviertel einen Lebensmittelladen zu haben, der großzügig geöffnet hat und dessen Angebot die – wie es früher so schön hieß – „Waren des täglichen Bedarfs“ umfasst.

Die Herausforderungen waren nicht zu übersehen: wir hatten keinerlei Erfahrung mit der Führung eines Einzelhandelsgeschäftes, nur einer von uns war überhaupt kaufmännisch vorgebildet. Wären wir allerdings nicht so ahnungslos gewesen, wäre es vielleicht auch nichts geworden. So haben wir uns in dieses gemeinschaftliche Abenteuer gestürzt, ohne zu wissen, welcher Aufwand uns über welche Zeitdauer erwartet, was die Geschäftsgründung alles umfasst und welche bürokratischen Hürden zu nehmen sind.

Wir hatten Ansprüche und Wünsche: unser Laden gleich nebenan bzw. gegenüber soll vor allem regionale und Biowaren führen – also genau das, was wir selber essen wollen. Er soll ein Nachbarschaftstreff sein und guten Kaffee anbieten. Gleichzeitig wollen wir Veranstaltungen organisieren und Feste feiern. Es soll ein gutes Klima für alle herrschen, und natürlich auch für alle Mitarbeitenden. Dabei hatten wir uns vorgestellt, dass sämtliche Entscheidungen im Konsens getroffen werden.

Unter den vielen Überraschungen, die in der Folgezeit auf uns warteten, war jede Menge Positives. Die Akzeptanz unseres Ladens war von Anfang an gewaltig und wuchs weiter. Es gibt und entstehen weiter freundschaftliche Verbindungen und immer wieder helfende Hände. Und doch ist es schwer, mit so einem kleinen Geschäft Tag für Tag schwarze Zahlen zu schreiben. Manchmal gibt es unerwartete Ausgaben wie zum Beispiel eine ausgefallene Kühltruhe im Hochsommer oder eine Energiekostennachzahlung. Von Brandschutzauflagen und Bedingungen, die wir bei unseren Veranstaltungen erfüllen müssen, ganz zu schweigen. Unser Wunsch, vor allem regionale Waren anzubieten, ist auch recht schwierig zu erfüllen. Wir balancieren und schwanken zwischen Unternehmertum – denn Geld verdienen, um die Mitarbeitenden gut zu bezahlen und weiter zu existieren, müssen wir ja – und Engagement, das gar nicht bezahlbar ist. Manchmal ist es nicht einfach für uns, dem eigenen Anspruch gerecht zu werden, wo doch jede/r auch eine eigene Arbeit und Familie hat.

Ein Rückblick auf unseren Anfang, auf die erste Fassung unseres Konzepts und die ersten Tage und Wochen des Verkaufsbetriebes zeigt, dass wir inzwischen viele Veränderungen durchgemacht und umgesetzt haben: es gab Umbauten und Ausbau, das Sortiment hat sich weiter entwickelt, das Kulturangebot variiert, und die ganze Nachbarschaft erinnert sich an viele wunderbare Konzerte und Frühlingsfeste. Seit Jahren nun bieten wir eine Mittagssuppe und einen Imbiss an, und schließlich haben wir uns auch zur EC-Karten-Zahlung durchgerungen. Erst neulich wurde wieder ein wenig umgeräumt und ein neues schickes Regal eingeweiht.

Wenn wir genau drei Jahre zurückschauen, auf das Frühjahr 2020, so scheint es wie ein kleines Wunder, dass es uns immer noch gibt. Unseren Laden, Personal und Kundschaft, hat es – wie auch unsere ganze Gesellschaft – ordentlich mitgenommen, dieses Virus und die Pandemie. Wir sind froh, das überstanden zu haben, wenn wir auch Federn gelassen und ehrlich gesagt manche heftige Diskussion geführt haben. Aber wir haben viel gelernt.